Softwarerecht: AGB versus individueller Vertrag
Die Wahl des richtigen Vertragsmodells hat für den Vertrieb einer Software wesentliche Bedeutung. Einerseits aus rechtlicher Sicht. Andererseits aus wirtschaftlichen Überlegungen.
Dabei stellt sich oft die Frage, ob dabei Allgemeine Geschäftsbedingungen (“AGB”) (häufig auch als “Nutzungsbedingungen” bezeichnet), oder ein individueller Vertrag abgeschlossen werden soll. Beides hat Vor- und Nachteile. Ein individueller Vertrag unterscheidet sich vom “Vertrag von der Stange” (gemeint AGB) dadurch, dass dieser auf die spezifischen Problem- und Themenkreise eingeht.
Geltungs- und Inhaltskontrolle
Ein wesentlicher Nachteil der AGB ist, dass diese einer Geltungs- (§ 864a ABGB), und Inhaltskontrolle (§ 879 Abs 3 ABGB) unterliegen. Nach der Geltungskontrolle sind nachteilige, ungewöhnliche und überraschende Vertragsklauseln nichtig und entfalten damit keine Rechtswirkung. Nach der Inhaltskontrolle sind gröblich benachteiligende Klauseln unwirksam.

Kriterien: Individuelle Vereinbarung versus AGB
Kriterien, bei der Wahl zwischen individueller Vereinbarung und AGB sind:
Individuelle Vereinbarung | Allgemeine Geschäftsbedingungen |
Großer Auftragswert (Faustregel: Ab EUR 15.000) | Kleiner Auftragswert |
Viele beteiligte Mitarbeiter | Wenige beteiligte Mitarbeiter |
Hohe Interaktion zwischen AG und AN | Geringe Interaktion zwischen AG und AN |
Individuelle Software | Standardsoftware |
Häufige Änderungen | Keine Änderungen |
Wechselnde IT-Infrastruktur | Gleichbleibende IT-Infrastruktur |
Agiler Charakter | Statischer Charakter |
Viele Meilensteine | Keine Meilensteine |
Weiterentwicklung des Quellcodes durch Auftraggeber | Keine Weiterentwicklung des Quellcodes durch Auftraggeber |
Hohe Priorität | Niedrige Priorität |
Fazit
Tendenziell bevorzugen Softwareunternehmen AGB. Das ist aus Gründen des geringeren administrativen Aufwands auch verständlich. Nachdem jedoch auch der Vertragspartner seinerseits oft AGB verweist (battle of forms) und nachteilige Klauseln einer Geltungskontrolle unterliegen, ist dieser Zugang jedoch nicht immer zu empfehlen. Gerade bei komplexen Projekten, wie bspw der Programmierung einer Individualsoftware oder IT-Outsourcing, ist eine individuelle Vereinbarung oft die bessere Lösung.
Ich stehe Ihnen bei Fragen sehr gerne unter anfrage@digital-recht.at zur Verfügung.
Autor: Dr. Tobias Tretzmüller, LL.M. (IT-LAW)
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