Viel zu selten bleiben IT- und Bauprojekte im vereinbarten Budgetrahmen. Häufiger Grund ist dabei eine Änderung im Auftragsumfang (Change- bzw Claim-Management). Es bedarf vertraglicher Anreize, um einem exzessiven Change- bzw Claim-Management entgegen zu wirken. Die Lösung könnten „nutzenorientierte Verträge“ sein, die in der Softwarebranche bereits vermehrt zum Einsatz kommen.
Scrum und BIM als Chance für nutzenorientierte Verträge
Scrum (IT-Branche) und BIM (Bau-Branche) sind von ihren Werten dadurch gekennzeichnet, den gemeinschaftlichen Nutzen des Gesamtprojektes in den Fokus zu stellen. Es liegt jedoch (leider allzu oft) in der Natur des homo economicus, seinen individuellen Gewinn optimieren zu wollen. Daher bedarf es vertraglicher Anreize, den Fokus der Auftragnehmer von einem persönlichen Gewinnstreben auf einen gemeinschaftlichen Nutzen zu richten. Mit anderen Worten: Anstatt der Frage
- wie kann ich meinen Gewinn kurzfristig maximieren, sollte die Frage zukünftig
- wie kann ich meinen Gewinn langfristig maximieren (und dabei einen größtmöglichen Nutzen für den Auftraggeber schaffen)
lauten. Anmerkung am Rande: Aus der Motivationslehre ist bekannt, dass extrinsische Faktoren (monetäre Anreize) weit weniger zur Zufriedenheit beitragen als das übergeordnete Streben einen Mehrwert zu stiften.
Für diese Zwecke kann Anleihe genommen werden an zwei Entgeltmodellen, die in der Softwarebranche bereits zur Anwendung gelangen:
- Das „Proviant & Prämien-Modell“
- Das „Profit-Sharing-Modell“
Das Proviant & Prämien-Modell
Beim Proviant & Prämien-Modell werden zunächst zeitliche, qualitative und budgetäre Bench-Marks definiert. Wenn diese Bench-Marks erreicht werden, wird eine Prämie an den (oder die) Auftragnehmer ausgeschüttet (Bonus-System). Als finanziellen Ausgleich für dieses Bonus-System arbeitet der Auftragnehmer auf Selbstkostenbasis. Dieser „Proviant“ sichert dem Auftragnehmer eine Abdeckung der Fixkosten, generiert aber keinen (unmittelbaren) Gewinn. Die Folge: Der Auftragnehmer wird bestrebt sein, mit möglichst geringem Aufwand die erreichten Bench-Marks zu erreichen. Änderungen im Projekt nehmen dadurch ab.
Das Profit-Sharing-Modell
Das Profit-Sharing-Modell geht noch einen Schritt weiter. Bei diesem Modell arbeitet der Auftragnehmer unterhalb Selbstkostenbasis oder ganz kostenlos, wird aber im Gegenzug am späteren Umsatz (der Software oder des Bau-Projektes) beteiligt. Dieses Modell ist gerade in der Start-Up-Szene beliebt. Auch in diesem Vertragswerk wird der Auftragnehmer sich sehr dafür engagieren, den Projektnutzen – und somit auch seinen Gewinn – zu maximieren.
Fazit
Freilich stellt ein Wechsel von gewinnorientierten zu nutzenorientierten Projekten (und damit Verträgen) einen Paradigmenwechsel dar. Doch es entspricht dem aktuellen Zeitgeist, mit archaischen Glaubenssätzen aufzuräumen. Langfristig wäre Letzteres nämlich für sämtliche Beteiligte zu bevorzugen. Moderne Herangehensweisen wie Scrum oder BIM haben das Potential, einen dahingenden Wandel einzuleiten.
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