LG Hamburg, Urteil vom 20.11.2017 – 308 O 343/15 (nicht rechtskräftig)
LG Hamburg äußert sich zur Umsetzung der GNU GPL version 2.
Relevant für: Softwarentwickler, IT-Projektmanager, Einkauf, Legal, Compliance
Das Landesgericht Hamburg äußerte sich zur konkreten Umsetzung der GNU GPL version 2. Wegen des erheblichen wirtschaftlichen des Einsatzes von Open Source Software in nahezu allen Bereichen der IT, hat diese Entscheidung erhebliche Bedeutung.
Zum Sachverhalt:
Die beklagte Partei vertrieb Linux-basierte Elektronik-Artikel. Diese Elektronik-Artikel unterliegen den Lizenzbedingungen der GNU Genereal Public License Version 2 (“GPLv2“). Der Kläger war als Softwareentwickler maßgeblich an der Entwicklung des Linux Kernels beteiligt. Im Zuge des Verfahrens machte der Kläger eine Reihe von Verletzungen der GPLv2 geltend. Er verlangte eine Unterlassung des Vertriebs der Elektronik-Artikel und eine Vertragsstrafe von EUR 146.500 wegen der Verletzung einer Unterlassungsverpflichtung.
Zur Entscheidung:
Das Gericht stellte eine Reihe von Verletzungen der GPLv2 fest:
Mitlieferung des Lizenztextes der GPLv2:
Ziffer 1 GPLv2 verlangt, dass der Lizenztext auf folgende Art und Weise mitgeliefert werden muss: “You may…give any other recipients of the Program a copy of this License along with the Program“.
Das Gericht meinte dazu, dass der vollständige Lizenztext entweder auf der Seite wiedergegeben sein müsse, auf der das Programm zum Download angeboten wird, oder vom Angebot des Programms aus unmittelbar erreichbar, leicht erkennbar und ständig verfügbar zu halten ist. Ein in räumlicher Nähe verlinktes Nutzerhandbuch reiche dafür aus.
Weiters muss der Lizenztext vollständig wiedergegeben werden. Hierzu gehört auch die Präambel und der Hinweis “How to Apply These Terms to your New Programs“.
Mitlieferung des Haftungsausschlusses:
Ziffer 1 GPLv2 verlangt, dass “on each copy” ein Haftungausschluss angebracht sein muss.
Das Gericht legte dies dahingehend aus, dass die Anbringung eines Haftungsausschlusses tatsächlich auf dem jeweiligen Vervielfältigungsstück erforderlich ist.
Bereitstellung des Quellcodes:
Ziffer 3 GPLv3 definiert die Bereitstellung des Quellcodes wie folgt: “...complete source code means all the source code for all modules it contains, plus any associated interface definition files, plus the scripts used to control compilation and installation of the executable.”
Indem gegenständlich die “scripts to control compilation and installation” nicht bereitgestellt wurden, sah das Gericht eine weitere Verletzung.
Fazit:
Die im gegenständlichen Verfahren streitgegenständliche Software hat eine praktisch sehr weite Verbreitung (Android-Betriebssystem auf mobilen Endgeräten, Linux-Betriebssystem auf Servern und CPUs sowie in zahllossen “smarten” Maschinen). Die Bedeutung dieser Entscheidung ist daher sehr beträchtlich und hat wohl wegweisenden Charakter für die Auslegung sämtlicher Open Source Lizenzen. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass das Gericht einen strengen Auslegungsanatz gewählt hat und eng am Wortlaut der Lizenzbestimmung festhält.
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