Heute funktioniert kein Unternehmen mehr ohne Software. Software bildet einen wesentlichen Bestandteil der Unternehmensinfrastruktur. Auch in „klassischen“ Industrien, wie etwa der Automobilindustrie, sind Unternehmen zunehmend auf „embedded Software“ angewiesen. Dadurch entsteht eine Abhängigkeit des Software-Anwenders vom Software-Anbieter. Die wohl am meisten gefürchtete Abhängigkeitssituation besteht in der Insolvenz des Anbieters.
Es stellen sich dann die Fragen: (i) Darf der Anwender die Software weiterhin nutzen und (ii) gegebenenfalls selbstständig pflegen und weiterentwickeln?
Insolvenzrechtliche Einordnung des Lizenzvertrages
Ob dem Anwender im Falle der Insolvenz des Anbieters ein insolvenzfestes Nutzungsrecht an der Software verbleibt oder nicht, hängt primär von der Ausgestaltung des Lizenzvertrages ab. Dessen Ausgestaltung ist entscheidend für die Frage, ob dem Insolvenzverwalter (des Anbieters) ein Wahlrecht aus § 21 Insolvenzordnung zusteht oder nicht.
Diese Norm regelt, dass sofern „ein zweiseitiger Vertrag von dem Schuldner und dem anderen Teil zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht oder nicht vollständig erfüllt worden, so kann der Insolvenzverwalter entweder an Stelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und von dem anderen Teil Erfüllung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten“.
Kurz gesagt: Das Schicksal der Software liegt in den Händen des Insolvenzverwalters, wenn die wechselseitigen Pflichten noch nicht vollständig erfüllt wurde.
Was die Wirkung der Nichterfüllungswahl auf das eingeräumte Nutzungsrecht an der Software betrifft, fällt nach der deutschen BGH-Entscheidung (BGH vom 19.7.2012 – I ZR 70/10) das Nutzungsrecht an der Software automatisch an den Rechtinhaber zurück. Dies mit der Folge, dass der Anwender nicht mehr berechtigt ist, die Software zu nutzen.
Wahlrecht des Insolvenzverwalter: Ja oder Nein?
Bei einem kaufrechtsähnlichen Lizenzvertrag (Softwarekauf) ist regelmäßig eine Insolvenzfestigkeit anzunehmen. Damit ist gemeint, dass der Insolvenzverwalter keine Möglichkeit hat, vom Vertrag zurückzutreten. Dies deshalb nicht, weil die wechselseitigen Verpflichtungen im Wesentlichen bereits erfüllt wurde.
Dies wird jedoch nicht der Fall sein, wenn der Anbieter etwa im Zuge eines agilen Entwicklungs-Prozesses in Insolvenz gerät. In diesem Fall wurden die wechselseitigen Verpflichtungen gerade nicht erfüllt.
Dasselbe wird wohl regelmäßig gelten im Falle der – praktisch sehr häufigen – Softwaremiete. Bis zur Beendigung der Softwaremietet ist nämlich die synallagmatische Hauptleistungspflicht des Anbieters zur Instandhaltung und Zurverfügungstellung der Software nicht vollständig erfüllt. Ein Teil der Lehre nimmt eine vollständige Erfüllung jedoch dann an, wenn die Lizenzgebühren bereits vollständig im Voraus entrichtet wurden.
Fazit und Handlungsempfehlung
Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters greift, wenn die wechselseitigen Verpflichtungen nicht vollständig erfüllt sind. Ob dieser Fall ist oder nicht, hängt primär vom Lizenzvertrag ab. Um diese Konsequenzen zu vermeiden, bietet sich aus Sicht des Anwenders der Abschluss eines Quellcode-Hinterlegungsvertrages ab. Aber auch hier ist große Vorsicht geboten. Diese Vereinbarung muss einerseits so verfasst und andererseits sachenrechtlich korrekt umgesetzt werden, damit die Quellcode-Hinterlegung in der Insolvenz nicht in die Insolvenzmasse des Anbieters „zurückfällt“.
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