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January 4, 2023

Lasten- und Pflichtenheft in der Softwareentwicklung

Lasten- und Pflichtenheft in der Softwareentwicklung

Bei der Entwicklung von Individualsoftware ist darauf zu achten, den Leistungsumfang konkret zu definieren. Deshalb spielt die präzise und verständliche Definition der geschuldeten Software eine herausragende Bedeutung. Welche (rechtliche) Rolle das Lasten- und Pflichtenheft in diesem Zusammenhang spielt, erfahren Sie in diesem Artikel.

Was versteht man unter dem Lasten- bzw Pflichtenheft?

Die Begriffe des Lasten- und Pflichtenheftes werden in der Literatur nicht einheitlich verwendet. Die Definitionen aus der DIN 69901-5 und der VDI-Richtlinie 2519 Blatt 1 sehen in dem Pflichtenheft “eine Realisierungsvorgabe für die Kundenanforderungen aus dem Lastenheft”. Das OLG Düsseldorf sieht die zentrale Funktion des Pflichtenheftes darin, den Leistungsinhalt zu konkretisieren. Obgleich die Terminologie eines Lasten- und Pflichtenheftes nicht einheitlich ist, wird gegenständlich nachstehenden Bedeutungen gewählt:

  • Im Lastenheft definiert der Auftraggeber seine Anforderungen an die Software. I
  • Im Pflichtenheft dokumentiert der Auftragnehmer vice versa die technische Umsetzung der Vorgaben des Lastenheftes.

Was beinhaltet ein Lasten- bzw Pflichtenheft?

Die Anforderungen an die Leistungsbeschreibung nach IEEE 830 umfassen die Korrektheit, Eindeutigkeit, Vollständigkeit, Konsistenz, Überprüfbarkeit, Modifizierbarkeit, Nachverfolgbarkeit und Klassifizierbarkeit der Wichtigkeit. Es geht hier letztlich darum zu beschreiben, was die Software leisten soll, also um ein ergebnisrelevantes Anforderungsbeschreibung. Typischerweise sind Bestandteile des Lasten- und Pflichtenheftes:

  • Funktionale Spezifikationen;
  • Informationsbedarf, Informationsbasis und Informationsfluss;
  • Eine Beschreibung der Funktionalitäten der zu erstellenden Softaware;
  • Eine Vereinbarung der erforderlichen Qualitäts-Standards;
  • Anforderungen an die Wartbarkeit, Sicherheit gegen Angriffszeiten, Antwortzeiten, Usability;
  • Verarbeitungsregeln;
  • Definition der Schnittstellen;
  • Zuverlässigkeitskriterien in Bezug auf Datensicherheit und Robustheit;
  • Vorgaben an die Benutzerfreundlichkeit;
  • Vorgaben an das Zeitverhalten (Antwort- und Reaktionszeiten, Durchsätze etc);
  • Pflegefreundlichkeit;
  • Interoperabilität;
  • Bei komplexeren Entwicklungen ist auch die Architektur des IT-Systems zu definieren sowie;
  • Die anzuwendende Entwicklungsmethode (zB: Scrum oder Wasserfall-Methode);
  • Die Programmsprache;
  • Der Einsatz von Open Source Komponenten;
  • Anforderungen an die Anwenderdokumentationen;
  • Eine etwaiges Sicherungskonzept;
  • Darüber hinaus sollte der Auftraggeber vertraglich zur zeitgerechten und adäquaten Mitwirkung verpflichtet werden.

Empfehlenswert ist zudem eine Regelung, wem die (etwaigen) urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dem Lasten- und Pflichtenheft zustehen.

Ist das Pflichtenheft “Pflicht”?

Strittig ist, ob der Auftragnehmer, in Ermangelung einer konkreten vertraglichen Vereinbarung, zur Erstellung eines Pflichtenheftes verpflichtet ist. Die Rechtsprechung betont dabei, dass die Erstellung des Pflichtenheftes an sich Sache des Auftraggebers ist. Jedoch hat der Auftragnehmer dabei seinen Warnpflichten nachzukommen, wenn er der der Ansicht ist, dass eine ordnungsgemäße Herstellung der Software ohne Pflichtenheft nicht möglich ist. Der Auftragnehmer sollte sich demnach nicht unreflektiert auf die Vorgaben des Auftraggebers verlassen. Den Auftragnehmer trifft die Obliegenheit, ein vom Auftraggeber erstelltes Lastenheft auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Letztlich trifft aber primär den Auftraggeber das Risiko der Unvollständigkeit der Aufgabenbeschreibung.

Was gilt, wenn kein Pflichtenheft existiert?

Fehlt ein genaues Pflichtenheft, soll schuldet der Auftragnehmer eine Software, die unter Berücksichtigung des angestrebten Zweckes dem Stand der Technik entspricht. An die Stelle des Pflichtenheftes als Maßstab der Sollbeschaffenheit tritt also der sogenannte mittlere Ausführungsstandard.

Fazit und Praxis-Tipp:

Auftraggebern ist dringend anzuraten einen erheblichen Teil der zeitlichen und personellen Ressourcen in die Ausarbeitung des Lasten- bzw Pflichtenheftes zu investieren. Die Erarbeitung dieser Vertragsgrundlagen ist für den Projekterfolg von zentraler Bedeutung. Die Missachtung dieses Arbeitsschrittes dürfte einer der Hauptgründe für ein Projektscheitern sein. Daher ist es ratsam, das Gesamtprojekt in zwei Phasen  zu gliedern. Damit ist eine Erstellungsphase einerseits und Realisierungsphase andererseits gemeint. Die erste Phase dient ausschließlich dazu, ein sorgfältiges Pflichtenheft zu erstellen. Wegen zahlreichen Unsicherheiten im Bereich der Pflichtenheftgestaltung ist es weiters empfehlenswert, diesbezüglich klare vertragliche Regelungen in den Verträgen über die Erstellung der Software aufzunehmen. Um hier etwaige Lücken oder Unklarheiten zu vermeiden, sollte der Auftraggeber regeln, dass der Auftragnehmer das Lastenheft zu überprüfen und auf Vollständigkeit („Vollständigkeitszusage“) hinzuwirken hat.


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