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Cloud Switching und Data Act
Regelungen zum Cloud-Switching: Der Paukenschlag im Data Act
Mit Kapitel VI des Data Acts hat die EU einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Cloud-Diensten eingeleitet. Dieses Kapitel enthält umfassende Regelungen zum sogenannten „Cloud-Switching“ – also dem Wechsel zwischen verschiedenen Cloud-Anbietern oder hin zu On-Premise-Lösungen. Bereits jetzt wird es als Paukenschlag bezeichnet und ersetzt in gewisser Weise die gescheiterte „Free Flow of Data“-Verordnung.
Was ist ein „Datenverarbeitungsdienst“?
Die neuen Verpflichtungen gelten für sogenannte Datenverarbeitungsdienste, wie sie in Art. 2 Z 8 des Data Acts definiert sind. Dabei handelt es sich um digitale Dienste, die Kunden skalierbare, elastische Rechenressourcen zur Verfügung stellen – Cloud-Dienste im klassischen Sinne also.
Erfasst sind damit:
- Cloud- und Edge-Dienste
- IaaS (Infrastructure-as-a-Service)
- PaaS (Platform-as-a-Service)
- SaaS (Software-as-a-Service)
- Storage- und Database-as-a-Service
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind nicht ausgenommen, was für viele Anbieter eine erhebliche Herausforderung darstellen dürfte.
Nicht betroffen sind dagegen:
- Test- und Bewertungsumgebungen (Art. 31 Abs. 2)
- Spezifisch zugeschnittene Anwendungen (Art. 31 Abs. 1) – wobei umstritten ist, ob Customizing-Lösungen darunterfallen.
„Minimaler Verwaltungsaufwand“ – ein zweischneidiges Kriterium
Ein zentrales Kriterium der Definition ist, dass Dienste mit „minimalem Verwaltungsaufwand“ bereitgestellt werden können. Diese Formulierung ist jedoch problematisch:
- IT-Anbieter könnten bewusst den Verwaltungsaufwand hoch halten, um dem Anwendungsbereich zu entgehen.
- Der Begriff bleibt unbestimmt und schwer nachprüfbar.
Es ist wichtig zu verstehen: Der minimale Verwaltungsaufwand bezieht sich nur auf die Bereitstellung des Dienstes, nicht auf den Zugang zu den Daten.
Ziel: Vermeidung von Vendor Lock-in
Das Herzstück der Regelungen ist die Verpflichtung, Hindernisse für den Anbieterwechsel zu beseitigen – seien sie kommerzieller, technischer, vertraglicher oder organisatorischer Natur. Ziel ist es, dass Kunden künftig einfacher wechseln können:
- zu einem anderen Cloud-Anbieter (Cloud-Switching),
- zurück ins eigene Rechenzentrum (On-Prem / Insourcing),
- oder zu mehreren Anbietern gleichzeitig (Multi-Cloud).
Ein Wechsel soll ohne Ausfallzeiten, unangemessene Kosten oder technische Hürden möglich sein. Dabei müssen Anbieter kooperativ und nach Treu und Glauben handeln (Art. 27).
Vertragliche Anforderungen: Transparenz ist Pflicht
Gemäß Art. 25 Data Act müssen Cloud-Anbieter einen schriftlichen Vertrag vorlegen, der u. a. folgende Punkte abdeckt:
- Export der Daten & digitalen Vermögenswerte
- Unterstützung beim Wechsel (inkl. Exit-Strategie)
- Aufklärung über Risiken der Dienstunterbrechung
- Kündigungsregelungen
- Datenklassifizierung (übertragbar / nicht übertragbar)
- Fristen für Datenabruf nach Vertragsende
- Löschgarantien
- Informationen zu Wechselentgelten
Zudem gelten umfassende Informationspflichten (Art. 26–30), etwa:
- Beschreibung der Switching-Verfahren
- Zugang zu Online-Registern mit Datenformaten und Standards
- Angaben zur Gerichtsbarkeit und zum staatlichen Zugriffsschutz
- Aktualitätspflicht der bereitgestellten Informationen
Wechselentgelte: Bald Geschichte
Ein zentraler Anreiz zum Cloud-Wechsel ist die schrittweise Abschaffung von Wechselentgelten:
- Bis zum 11.01.2027 dürfen nur noch reduzierte Entgelte verlangt werden.
- Ab dem 12.01.2027 sind alle Wechselentgelte untersagt (Art. 29).
Ausgenommen von diesem Verbot sind:
- Standarddienstentgelte (z. B. für laufende Nutzung)
- Vertragsstrafen bei vorzeitiger Kündigung
Nicht erlaubt sind hingegen Datenextraktionsentgelte, also Gebühren für die Herausgabe der Daten – das wird durch Art. 1 Z 36 ausdrücklich klargestellt.
Dennoch bleibt Spielraum für Anbieter, Premium-Services kostenpflichtig anzubieten, etwa:
- Datenaufbereitung in gewünschtem Format
- Beschleunigte Migration
- Echtzeitsynchronisation
Laut Studien liegen die durchschnittlichen Extraktionsentgelte aktuell bei 0,3–6 % der jährlichen Cloud-Kosten – ein erheblicher Kostenfaktor, der künftig wegfallen muss.
Fazit: Chancen und Herausforderungen für den Cloud-Markt
Kapitel VI des Data Acts schafft ein neues Rechtsfundament für echte Datenportabilität. Kunden sollen endlich unabhängig und flexibel agieren können – ohne Lock-in-Effekte.
Für Anbieter bedeutet dies:
- Mehr Aufwand bei Vertragsgestaltung und Dokumentation
- Technische Vorkehrungen für Datenportabilität
- Anpassung von Preismodellen
Wer jetzt aktiv wird, kann die neuen Pflichten als Chance nutzen: Transparente, fair gestaltete Wechselprozesse werden zum Wettbewerbsvorteil im europäischen Cloud-Markt.
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