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Handel mit Gebrauchtsoftware
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts traten erstmals im deutschsprachigen Raum Händler von Gebrauchtsoftware in Erscheinung. Deren Geschäftsmodell besteht darin, Lizenzen, Lizenzschlüssel oder physische Datenträger günstig einzukaufen und gewinnbringend weiterzuverkaufen.
Doch wo liegen die rechtlichen Stolpersteine? Was hat es mit dem Erschöpfungsgrundsatz auf sich?
Gebrauchtsoftware: Betriebswirtschaftliche Hintergründe
So knapp vor der Urlaubszeit ist der Erschöpfungsgrundsatz in aller Munde – wobei hier wohl selten der urheberrechtliche Erschöpfungsgrundsatz nach § 16 Abs 3 UrhG gemeint ist. Ein bisschen Spaß muss – selbst unter Juristen – sein:
Der Erschöpfungsgrundsatz spielt eine bedeutende Rolle im Bereich des Handels mit Gebrauchtsoftware. Der Begriff der „Gebrauchtsoftware“ ist dabei nicht sehr präzise, denn schließlich nutzt sich Software nicht ab. Dennoch hat sich dieser Begriff auch im internationalen Kontext etabliert. Die angekauften Lizenzen werden an andere Anwender verkauft, die einen signifikanten Preisnachlass von bis zu 50% gegenüber dem Händlerpreis „neuer“ Software erhalten. Für den Zweiterwerber der Software ergeben sich damit Kostenvorteile. Gerade für solche Zweiterwerber, die bereits eine komplexe Unternehmenssoftware im Einsatz haben und für die aufgrund der sehr hohen Implementierungs- und Customizingkosten keine ökonomische Alternative besteht, den Anbieter kurzfristig zu wechseln, stellt die Einholung von Alternativangeboten von Gebrauchtsoftware oftmals die einzige Möglichkeit dar, um überhaupt gegenüber dem bestehenden Anbieter für den Nachkauf von Lizenzen eine vernünftige Verhandlungsposition zu erlangen.
Gebrauchtsoftware: Erschöpfungsgrundsatz
Ermöglicht wird der Handel mit Gebrauchtsoftware durch den urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz. Der Erschöpfungsgrundsatz schafft einen Ausgleich zwischen den Verwertungsinteressen der Rechteinhaber einerseits und dem Interesse der Verbraucher und des Marktes an der Verkehrsfähigkeit des einzelnen, vom Schutz umfassten Verkehrsgutes.
Nach dem Erschöpfungsgrundsatz kann das Verbreitungsrecht durch den Rechteinhaber nicht mehr geltend gemacht werden, wenn dieses:
- Mit Zustimmung des Berechtigten
- im Wege der Veräußerung
- in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder in einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes
- in Verkehr gebracht worden ist.
Aus den Entscheidung(en) UsedSoft lässt sich eine weitere Voraussetzung für das Vorliegen einer urheberrechtlichen Erschöpfung ableiten:
- Der Ersterwerber muss beim Weiterverkauf alle vorhandenen Programmkopien auf seinen Rechnern löschen.
Eine hiervon vertraglich getroffene Abweichung ist nicht möglich. Wird der Weitervertrieb der erworbenen Softwarekopie untersagt, so ist die Klausel unwirksam, wenn die Voraussetzungen für die Erschöpfung vorliegen. Auch wäre es nicht zulässig, die Weitergabe der Software von einer schriftlichen Zustimmung des Softwareanbieters abhängig zu machen. Technische Mittel der Nutzungskontrolle sind nur zulässig, sofern sie verwendet werden, um sicherzustellen, dass das Programm beim Verkäufer nach dem Verkauf nicht weitergenutzt wird.
Im Falle der Überlassung des Computerprogramms an einen Zweitkäufer hat der Erstkäufer daher dafür Sorge zu tragen, dass er keine Programmkopien zurückhält und bei ihm vorhandene Vervielfältigungsstücke löscht, da eine gleichzeitige Nutzung von Erst- und Zweitkäufer das nicht erschöpfte Vervielfältigungsrecht des Softwareanbieters verletzen würde. Der Handel mit gebrauchten Lizenzen findet damit seine Grenze in der konkreten Kopie: Nur an dieser – und zwar im Umfang und Ausmaß der gewarteten Version – erschöpft sich das Verbreitungsrecht. Der Ersterwerber muss sämtliche in seinem Besitz befindlichen Kopien unbrauchbar machen, also auch Sicherungs- und Archivkopien. Letztlich muss eine Parallelnutzung ausgeschlossen werden können.
Gebrauchtsoftware: Schranken
Der Erschöpfungsgrundsatz greift nicht bei einer befristeten Überlassung. Das Vermieten ist sogar ausdrücklich von der Erschöpfung ausgenommen. Mit anderen Worten ist es demnach erforderlich, dass der Anbieter dem Ersterwerber ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrecht (sog Perpetual License) eingeräumt hat. Zeitlich begrenzte Nutzungsrechte (sog Fixed Term Licenses) können dagegen ohne Zustimmung des Anbieters nicht übertragen werden. Der Erschöpfungsgrundsatz greift daher regelmäßig nicht bei ASP-, SaaS-, und Subscription-Modellen. Eine Möglichkeit, den Weitervertrieb zu unterbinden, besteht somit darin, ausschließlich zeitlich befristete Nutzungsrechte einzuräumen.
Eine wichtige Frage ist, auf welche Version der Software der Zweiterwerber einen Anspruch hat. Auf jene Version, die der Ersterwerber vom Anbieter bezogen hat, oder auf die jeweils aktuelle Version auf dem Markt?
Gebrauchtsoftware und Wartungsvertrag
Ob ein Recht auf Bezug der aktuellen Version durch den Zweiterwerber besteht, richtet sich nach dem Grundsatz „nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet“ – niemand kann mehrere Rechte übertragen, als er selbst innehat. Ob daher dem Zweiterwerber die aktuelle Version der Software zusteht oder nicht, richtet sich nach der Vereinbarung zwischen dem Ersterwerber und dem Anbieter.
Ein etwaiger Wartungsvertrag ist übrigens nicht der Erschöpfung unterworfen und geht folglich auch nicht auf den Zweiterwerber über. Für den Wartungsvertrag gilt daher, wie für alle anderen schuldrechtlichen Verträge auch, dass dieser nur mit Zustimmung des Anbieters vom Ersterwerber auf den Zweiterwerber übertragen werden kann. Dem Zweiterwerber ist daher zumindest bei geschäftskritischer Software häufig zu empfehlen, mit dem Anbieter für die von ihm gebraucht erworbene Software einen eigenständigen Wartungsvertrag abzuschließen.
Gebrauchtsoftware: Praxis-Tipps
Obgleich die Entscheidungen rund um UsedSoft einigermaßen Rechtsklarheit geschaffen haben, ist der Handel mit Gebrauchtsoftware ein durchaus heikles Terrain. Gerade bei komplexer und kostspieliger Software kann es daher empfehlenswert sein, dass der Erstkäufer beim Erwerb der Software bereits einige Aspekte in Bezug auf den möglichen Handel als Gebrauchtsoftware mit dem Softwareanbieter klärt. Zu diesen Aspekten gehören:
– Festlegung der kommerziellen und rechtlichen Bedingungen für den Fall des Nachkaufs von Lizenzen;
– Festlegung der kommerziellen und rechtlichen Bedingungen für die Weitergabe der erworbenen Software an Dritte – und damit Einhergehenden im Idealfall die („offizielle“) Zustimmung des Softwareanbieter zum Handel als Gebrauchtsoftware;
– Möglichkeit der Reduktion von Lizenzen (Änderung der Lizenzmetrik)
– Sicherstellung, dass ein Zweiterwerber die aktuellste Version beziehen könnte;
– Sicherstellung der Wartung auch für den Zweiterwerber.
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